Der Begriff des Rückfalls ist in der Theorie und Praxis der traditionellen abstinenzorientierten klinischen und ambulanten Suchttherapie von erheblicher Bedeutung und Konsequenz. Während noch vor einigen Jahren Patienten in Kliniken manchmal sogar ohne die Einbeziehung und Bewertung der spezifischen Umstände ihres Rückfalls entlassen wurden, ist heute das Arbeiten mit dem rückfälligen Patienten bei erkennbarer Therapiemotivation üblich geworden. 

Dennoch haftet dem Begriff weiter etwas Dramatisches und Abgründiges an. Insbesondere in Drogenkliniken versuchen die Patienten auch aus Scham den Rückfall zu verbergen, fälschen Drogenscreenings und verstricken sich in Lügengeschichten. 

Beim Kontrollierten Trinken gibt es natürlich auch Rückfälle in altes Trinkverhalten, in Kontrollverluste. Bereits in den ersten Gesprächen versuche ich, meinen Klienten eine pragmatische und von moralischen Aspekten freie Einstellung gegenüber zu erwartenden Rückfällen in altes Trinkverhalten nahe zu bringen. 

Beim Kontrollierten Trinken wird nicht von Rückfällen, sondern von Ausrutschern gesprochen. 

Diese Formulierung hat eine deutlich geringere negative Konnotation, ausrutschen kann schließlich jeder mal. Das Einkalkulieren von Ausrutschern ist realistisch. Wenn jemand über Jahre oder Jahrzehnte ohne Maß und Kontrolle Alkohol getrunken hat, ist es eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich, das erneut Kontrollverluste vorkommen. Dabei ist es wichtig, mit den Klienten über Gefühle zu sprechen, die nach einem Ausrutscher erlebt werden. Das Gefühl, versagt zu haben, das Gefühl der Scham sollte im Gespräch thematisiert und wenn möglich relativiert und abgeschwächt werden. Hilfreich ist das Entwickeln einer pragmatischen Einstellung und das Trainieren konkreter Korrekturmaßnahmen. Zu diesen Maßnahmen gehören die Analyse des Ausrutschers (hat der Klient bzw. die Klientin während des Trinkens Kontakt zu Personen gehabt, die eher destabilisierend sind, hat er nach einem frustrierenden Erlebnis nicht den Kontakt zu anderen Menschen gesucht, um sich mitzuteilen oder hat er sich in andere Risikosituationen begeben, die er hätte vermeiden können?) und praktische Verhaltensweisen, die dem Ausrutscher folgen. In der Regel empfehle ich mehrere abstinente Tage oder eine ganze abstinente Woche, damit der Klient wieder "in die Spur" kommt. 

Zusammengefasst lässt sich sagen:

Dramatisierung und Bagatellisierung vermeiden, aus der Erfahrung lernen, geeignete Maßnahmen zur Gegensteuerung ergreifen und auf Kurs bleiben.